Verschiebt sich da was in der Zukunft? Hoteliers leicht gereizt!
Amerikanische Versicherungen finden immer mehr Liebe zu deutschen Krankenhäusern. “welt-online” berichtet: Deutsche Krankenhäuser haben das lukrative Auslandsgeschäft für sich entdeckt. Kliniken in der Bundesrepublik schließen zunehmend Verträge mit Krankenkassen in Osteuropa. Die ausländischen Patienten sollen helfen, das eigene “gedeckelte” Klinikbudget aufzustocken.
Die 78-jährige Moskauerin Tamara Zatsepina hatte jahrelang schlimme Schmerzen in ihrer rechten Hüfte. Sie konnte kaum noch die Treppen ihrer Moskauer Wohnung hochsteigen. In ein russisches Krankenhaus wollte die Hüftkranke aber auf keinen Fall. Behandeln ließ sich die Arthrose-Kranke nun in Berlin, im Wilmersdorfer Martin-Luther-Krankenhaus.
Für die Klinik ist Zatsepina eine sehr willkommene Patientin. Mit der Behandlung ausländischer Patienten bessert das Krankenhaus sein limitiertes Krankenkassenbudget auf. Während die gesetzlichen Krankenkassen den Kliniken nur eine bestimmte Anzahl von Eingriffen wie auch künstliche Hüft- und Kniegelenken im Jahr bezahlen, laufen die Einnahmen durch solche ausländischen Patienten außerhalb des Limits.
Das neue Hüftgelenk hat Zatsepina der Berliner “Gelenkpapst” Professor Peter Hertel eingesetzt. Die Patientin lobt die “goldenen Hände” ihres Operateurs: Sie habe kaum noch Schmerzen und laufen könne sie auch wieder.
Möglich wurde die Operation, weil das Krankenhaus Ende Januar 2008 einen Exklusivvertrag mit der Sogaz Insurance abgeschlossen hat. Die Sogaz Insurance ist die Krankenversicherung der Gazprom. Der russische Staatskonzern ist das weltweit größte Erdgasunternehmen. Bei dem Unternehmen sind rund 400.000 Menschen beschäftigt. Bei der Sogaz Insurance sind die Führungskräfte und jeweils ein Angehöriger der Führungskräfte von Gazprom versichert. Wie viel das Martin-Luther-Krankenhaus mit der Behandlung der Gazprom-Elite voraussichtlich jährlich einnehmen wird, will die Assistentin der Geschäftsführung der Klinik, Stephanie Wand, indes nicht verraten. Zahlen liegen erst nach dem ersten Geschäftsjahr vor, sagt sie.
Sich mit Hilfe ausländischer Patienten das eigene “gedeckelte” Klinikbudget aufstocken, das wollen auch andere Berliner Krankenhäuser. So hat der Berliner Verbund “Network for Better Medical Care Berlin (NBMC)” mit einem amerikanischen Krankenversicherungsunternehmen vereinbart, amerikanische Patienten in Berliner Kliniken kurieren zu lassen. NBMC will den Patiententourismus fördern und hiesige Spitzenmedizin vermarkten. Zugleich werden bestimmte Qualitätsstandards von den NBMC-Kliniken garantiert, wie Sprachkenntnisse des Personals, Hotelkomfort der Klinik und seriöse Preise für Medizin “made in Germany”. Zu dem exklusiven NBMC-Netzwerk gehören sieben Berliner Kliniken, darunter auch so renommierte Häuser wie das Deutsche Herzzentrum Berlin (DZHB).
Um das lukrative Geschäft abzusichern, müssten allerdings die Kliniken ihrerseits noch Verträge mit der amerikanischen Krankenversicherung abschließen, sagt der Assistent des Verwaltungsleiters im Deutschen Herzzentrum Berlin, Mehran Goudarzi. Ein solcher Kontrakt sei mit der Berliner Herzspezialklinik noch nicht zustande gekommen, weil wichtige versicherungsrechtliche Fragen noch nicht geklärt seien. Was passiert zum Beispiel, wenn ein US-Patient Schadenersatz vom Herzzentrum fordert? Würde ein Patient das Herzzentrum in Amerika verklagen, könnte er unter Umständen so hohe US-typische Schadenersatzansprüche stellen, die das Herzzentrum in Deutschland gar nicht versichern könnte, gibt Goudarzi zu Bedenken. Mit der Klärung dieser Fragen befassen sich jetzt US-Anwälte.
Für die amerikanische Krankenversicherung ist die Behandlung der Versicherten in Deutschland ebenfalls finanziell interessant. Liegen doch die Behandlungskosten in hiesigen Kliniken ein Drittel bis 50 Prozent unter denen in Amerika. Deutsche Ärzte bieten gleiche Qualität für weniger Geld.
Auch mit der Nachsorge haben sich hiesige Kliniken befasst. Die Russin Tamara Zatsepina hat ihre Rehabilitation gleich im Berliner Martin-Luther-Krankenhaus absolviert. Nach achtwöchigem Klinikaufenthalt fliegt sie wieder nach Moskau – gesund und munter. Nur von Berlin hat die Patiententouristin nichts gesehen. Am Sightseeing-Programm bastelt das Martin-Luther-Krankenhaus jetzt noch.