
Ein Interview mit Thomas Munko, Chef Concierge aus dem The Ritz-Carlton, Berlin und Präsident von Les Clefs d’Or Deutschland. Thomas Munko ist Chef Concierge im The Ritz-Carlton, Berlin und Präsident des Goldenen Schlüssel Deutschland e.V. – ein Profi also, der genau weiß, worauf es in Sachen perfekter Service und stilvoller Gastlichkeit ankommt. Gemeinsam mit einigen internationalen Kollegen organisiert der 40-jährige seit nunmehr zwei Jahren den „64. UICH Les Clefs d’Or Congress“, der vom 23. bis zum 28. März 2017 erstmalig in Berlin stattfinden wird. Insgesamt 650 Hotelportiers aus mehr als 60 Ländern reisen zu diesem Anlass in die deutsche Hauptstadt, um gemeinsam über die Ziele der Vereinigung zu diskutieren, Wissen auszutauschen, Freundschaften zu schließen und dadurch ein lebendiges Netzwerk aufzubauen. Aber natürlich geht es auch darum, die Stadt Berlin kennenzulernen und am Ende des Kongresses 650 Botschafter der deutschen Hauptstadt in die Welt zu entlassen.
Das folgende Gespräch mit Thomas Munko gibt Einblick in die Arbeit eines Concierges und zeigt,was hinter einem Goldenem Schlüssel steckt, den Reisende am Revers eines guten Hotel-Concierges glänzen sehen.
Herr Munko, Sie sind Chef Concierge im The Ritz-Carlton, Berlin. Welche Aufgaben gehören zu Ihrem Berufsalltag? Beschreiben Sie uns einen gewöhnlichen Arbeitstag bei
Ihnen im Hotel?
Thomas Munko: Einen typischen Arbeitsalltag mit festen Abläufen gibt es eigentlich gar nicht. Und genau das ist auch einer der Gründe, warum ich meinen Job so sehr liebe. Sobald ich durch die Tür trete und meinen Dienst beginne, weiß ich nicht, was mich die nächsten acht Stunden erwartet. Tägliche Routine? Fehlanzeige. Aber natürlich gibt es trotz allem Dinge, die sich ähneln – sei es, dass wir uns spontan um eine Reservierung in einem eigentlich ausgebuchten Restaurant kümmern, einen Limousinen-Transport mit Fahrer organisieren – und das innerhalb von 20 Minuten – oder, oder, oder…Grundsätzlich ist aber eine der meistgestellten Fragen an mich zunächst: „Ich bin gerade erst angekommen und das erste Mal in der Stadt. Haben Sie eine Empfehlung für mich?“
In so einem Fall könnte man natürlich ganz pauschal antworten und nullachtfünfzehn – Antworten geben. Aber: Jeder Mensch ist verschieden und die Interessen sind demnach auch sehr verschieden: Der eine geht gerne shoppen, der nächste mag Kunst und der dritte liebt gute Restaurants. Wir tasten uns also ganz langsam heran und fragen in einem Gespräch behutsam nach, wo die Vorlieben und Interessen liegen. Dabei kommt es natürlich darauf an,Fingerspitzengefühl zu zeigen und auch richtig einzuschätzen, wieviel Zeit der Gast für ein solches Gespräch hat. Manche möchten gerne plaudern, andere brauchen eher einen schnellen, kurzen Tipp.
Thomas Munko: Stimmt, eine spezielle Ausbildung gibt es nicht. Viele unserer Kollegen haben aber eine Ausbildung zum Hotelkaufmann gemacht. Das muss aber nicht sein und so gibt es in unserem Bereich viele Quereinsteiger: Technische Zeichner, Künstler, was immer Sie wollen. Man rutscht da also eher rein, wacht nicht morgens plötzlich auf und denkt, „das will ich werden“. Um einen guten Job als Concierge zu machen, der einem auch selbst Freude bereitet,sollte man meiner Meinung nach auf jeden Fall Herzlichkeit, Leidenschaft und Empathie mitbringen. Man muss Menschen mögen und offen auf sie zugehen, ohne aufdringlich zu sein.
Eines unserer Mottos lautet ja „wir wollen Unmögliches möglich machen“. Man muss also auch die Herausforderung lieben und Spaß daran haben, sich für andere einzusetzen und deren Wünsche und Anliegen zu realisieren. Außerdem sollte man Sprachen sprechen. So viele wie möglich. Im Notfall hilft aber auch ein Zimmermädchen beim Übersetzen. Perfektes Englisch ist allerdings ein Muss. Mir persönlich ist es außerdem sehr wichtig, mögliche Berührungsängste abzubauen. Für viele Menschen ist ein solches Hotel etwas völlig Fremdes, eine eigene Welt, die nur bestimmten Menschen vorbehalten ist. Dadurch entsteht eine Distanz, die mir nicht gefällt. Für mich steht unser Haus jedem offen. Wenn also beispielsweise Touristen vorbei flanieren und interessiert durch die Fenster schauen, sich aber nicht so recht trauen hineinzugehen, dann freue ich mich, wenn ich sie mit einem freundlichen „Guten Tag“ und einem Lächeln zu uns in die Lobby bitten und ihnen das Gefühl, willkommen zu sein geben kann. Genau das fällt nämlich unter den Begriff, den ich gerne als „modernen Luxus“ bezeichne – das Gefühl, an einem Ort willkommen zu sein und zu wissen, dass mein Gegenüber mir seine
Zeit und Aufmerksamkeit schenkt.
Sie sind seit 21 Jahren im Hotelgewerbe und seit 14 Jahren als Concierge tätig. Hat sich das Berufsbild des Concierges in dieser Zeit verändert? Ist der Beruf im Zeitalter von
Smartphone und Tablet noch zeitgemäß?
Thomas Munko: Natürlich hat sich schon einiges getan in den letzten Jahren, es ist alles schneller geworden – heute geht nichts mehr ohne das World Wide Web. Viele unserer Gäste sind schon sehr gut informiert, halten einem das Smartphone mit diversen Adressen und Tipps aus dem Netz hin. Aber auch das Internet ist geduldig. Genau so, wie man das früher dem Papier nachsagte. Damals hieß es: Empfehlen Sie mir ein Restaurant. Heute: Ich habe hier fünf Empfehlungen, welcher soll ich folgen? Aber trotz oder gerade wegen des Internets ist unsere Meinung gefragt. Denn es ist die Hülle und Fülle an Informationen aus dem Netz, durch die man auch schnell den Überblick verliert. Uns so manches Mal weiß man gar nicht, ob das, was da steht, auch wirklich richtig ist. Ein persönliches Gespräch und ein direkter Austausch sind am Ende also immer überzeugender! Eines ist allerdings wichtig: Wir dürfen uns auf unserem Status quo an Wissen nicht ausruhen und müssen die neuesten Trends und Entwicklungen immer mitverfolgen. Damit meine ich zum einen natürlich Trends, welche die Destination im Allgemeinen betreffen, aber auch Trends im Bereich Service. Wir fragen und hinterfragen uns deshalb ständig: Wie kann man das Gästeerlebnis noch verbessern? Was gibt es, womit man den Gast noch glücklich(er) machen kann und wie bieten wir noch mehr Komfort? Aus diesem Grund findet auch der Kongress statt und aus diesem Grund gibt es eigentlich die Les Clefs d`Or. Die Vereinigung ermöglicht den direkten Austausch mit Kollegen aus aller Welt und vermittelt so entsprechendes Wissen. Besser geht es nicht.
Sie haben es schon angesprochen: Sie sind Mitglied bei Les Clefs d’Or, einer internationalen Vereinigung, die Concierges weltweit miteinander vernetzt und im Bereich
Service und Gastlichkeit trainiert. Welchen Zweck erfüllen Les Clefs d’Or? Welche Vorteile bringt eine Mitgliedschaft mit sich?
Thomas Munko: Allen voran geht es um Networking und damit verknüpft wiederum um die beiden Dinge, die Sie ansprechen: nämlich Service und Gastlichkeit. Einmal im Jahr treffen wir uns, um uns gegenseitig auszutauschen – eine Art „Knowhow-Transfer“. Wir lernen voneinander, tauschen Erfahrungen und Erlebnisse, fragen um Rat und bilden uns fort. Wir sind ja nicht nur Botschafter unserer eigenen Destination, sondern auch Botschafter aller Länder und Städte. Wir geben Tipps und bieten Unterstützung – auf nationaler wie internationaler Ebene,dann aber natürlich mit Hilfe der Kollegen, die vor Ort sind. Leider leistet sich nicht jedes Haus einen eigenen Concierge. Viele denken, dass damit zu hohe Kosten verbunden sind und sehen den Mehrwert nicht. Das ist meiner Ansicht nach falsch, denn das Gegenteil ist der Fall: Wir
sorgen mit unserer Arbeit dafür, dass die Gäste sich wohlfühlen und wiederkommen oder ihren Freunden von uns erzählen, die uns dann besuchen. Insoweit setzt unsere Arbeit eine Art Werbe-Mechanismus in Gang – für das Hotel, wie auch indirekt für die Destination. So geht meiner Ansicht nach erfolgreiche Kundenbindung.
Das heißt, Ihr Netzwerk, das Sie bei Les Clefs d’Or pflegen, bringt letztlich auch gegenüber dem Gast Vorteile?
Thomas Munko: Ja natürlich, unbedingt! Am Ende des Tages geht es nur darum. Klar, durch Les Clefs d`Or entwickelt sich im Laufe der Zeit auch ein privates Netzwerk. Mit manchen meiner Kollegen bin ich mittlerweile befreundet. Aber im Fokus steht ganz klar der Beruf und damit der Gast. In meinen Augen ist es das erklärte Ziel von Les Clefs d’Or, einen professionellen Mehrwert zu schaffen, der uns von anderen Häusern und Kollegen unterscheidet und der dem Gast das zuteil werden lässt, was er sich wünscht: Komfort und das Gefühl willkommen zu sein.
Und welche Anforderungen gibt es an potentielle Mitglieder? Was muss man mitbringen?
Thomas Munko: Es gibt zwei Grundvoraussetzungen: Man muss fünf Jahre in einem Hotel angestellt sein und davon zwei Jahre aktiv als Concierge gearbeitet haben. Darüber hinaus,auch auf die Gefahr hin, dass es altmodisch klingt, sind eine gute Kinderstube und die richtige Serviceeinstellung wichtig. Wir leben unser Motto „Unmögliches möglich machen“ tagtäglich. Es braucht also Menschen, die genau das auch tun wollen und das wiederum zieht einen gewissen Ehrgeiz und Biss mit sich. Man muss die Herausforderung lieben. Alles andere kommt dann mit der Zeit und durch Erfahrung. Nach und nach entwickelt man ein immer besseres Gespür für Menschen und Situationen.
Und wie wird man Präsident von Les Clefs d`Or?
Thomas Munko: Ich bin Präsident von Les Clefs d`Or Deutschland und wurde mehrheitlich von allen deutschen Mitgliedern gewählt. Für dieses Amt gibt es aber keine weiteren Voraussetzungen als die, die ich vorher schon genannt habe. Allerdings ist es natürlich hilfreich,wenn man sich innerhalb der Vereinigung aktiv mit einbringt. Für mich bedeutet das, dass man Eigeninitiative zeigt und im Rahmen der Vereinsarbeit Ideen beiträgt, an deren Umsetzung man aktiv mitarbeitet. Die Wahlen finden alle vier Jahre statt. Bei uns ist es 2018 wieder soweit. Collin Toomey, Chef Concierge im Shangri La in Sydney, ist übrigens der oberste Präsident, der Les Clefs d`Or weltweit repräsentiert.
Reisen Sie eigentlich selbst auch viel und schauen, wie es in anderen Häusern zugeht? Gehört das ebenfalls zu Ihrem Job?
Thomas Munko: Ja, in der Tat bin ich auch viel unterwegs. Ich muss natürlich sagen, dass ich da mit meinem Arbeitgeber großes Glück habe und mich dieser auch reisen lässt. Dafür bin ich sehr dankbar. Denn diese Internationalität ist so sehr wichtig für unseren Beruf. Ich möchte unseren Gästen ja auf Augenhöhe begegnen und dafür muss ich in vielen Dinge einfach Bescheid wissen, mich auskennen, belesen sein, Trends erkunden und ihnen vielleicht sogar ein Stück voraus sein.
Natürlich ist es in diesem Zusammenhang auch wichtig zu sehen, wie andere Hotels arbeiten.Die Inspiration ist einfach wichtig. Immer und in jedem Beruf.Ihre Gäste kommen aus der ganzen Welt, darunter auch sehr viele VIPs und weit gereiste Menschen. Das zieht mit Sicherheit auch hin und wieder ungewöhnliche Wünsche und
Anfragen mit sich. Was war das Seltsamste, was Sie bisher erlebt haben?
Thomas Munko: Was für den einen seltsam, ist für den anderen absolut normal. Gerade in meinem Job lernt man das schnell und es gibt wirklich nichts, was es nicht gibt. Mich interessiert eigentlich nur, ob die Anfrage, die auf mich zukommt, moralisch und ethisch vertretbar und legal ist. Alles andere ist Auslegungssache und geht mich eigentlich auch nichts an. Nichtsdestotrotz gibt es natürlich Dinge, die nicht alltäglich sind und die einen verwundert zurücklassen oder bei denen man schmunzelt. Zum Beispiel hatte ich einmal während des Nachtdienstes einen Gast,der mir seine Autoschlüssel auf das Desk legte. Er sagte „Ich kann mein Auto nicht finden, ich weiß nicht, wo es ist“ und erzählte etwas von einem Schloss. Also bin ich mit meinem Kollegen auf gut Glück zum Schloss Charlottenburg gefahren, wo wir die Straßen entlang marschiert sind,den Schlüssel in der Hand und in der Hoffnung, dass bei einem der Autos die Lichter angehen. Plötzlich leuchteten irgendwo die Scheinwerfer auf und wir hatten den Wagen gefunden. Das Auto stand kurze Zeit später so, als ob nichts gewesen wäre auf unserem Parkplatz und unser Gast konnte entspannt einsteigen.
Gibt es eigentlich noch ein so genanntes (handschriftliches) Geheimbuch mit den Vorlieben der jeweiligen Gäste?
Thomas Munko: Nein. Das kleine schwarze Buch, dessen Inhalt nur der Concierge kennt, das gibt es nicht mehr. Heute speichern wir die Vorlieben unserer Gäste im Computer ab. Darauf hat also jeder im Haus Zugriff, denn es muss ja auch funktionieren, wenn wir einmal nicht da sind oder es einen Personalwechsel gibt. Am Ende des Tages zählt aber trotz vieler Informationen die menschliche Interaktion, denn es geht ausschließlich darum, dass der Gast sich wohl fühlt.Das ist das oberste Gebot. Also muss man sich auch merken, was ihm gefällt. Gerade wenn jemand häufiger kommt, will man ja nicht jedes Mal bei Null anfangen. Und mal ehrlich: Wer freut sich nicht, wenn sein Gegenüber aufmerksam ist? Manches behalten wir aber natürlich auch für uns, denn Diskretion wird bei uns groß geschrieben!
Die letzte Frage: Ist man eigentlich Concierge auf Lebenszeit?
Thomas Munko: Ja! Es ist in gewisser Weise eine echte Berufung. Eine Lebensaufgabe. Kein Tag gleicht dem anderen. Es wird nie langweilig und man lernt wirklich jeden Tag etwas dazu,selbst nach so vielen Berufsjahren.