David Rölleke im Interview: Der erfahrene Krisenmanager hat den Notfallplan für die Reisebranche erstellt
Tourism-Insider: Herr Rölleke, als erfahrener Krisenmanager standen Sie bereits vielen Unternehmen in kritischen Phasen zur Seite. Daneben sind Sie Gesellschafter und Senior PR-Manager der SBS Media GmbH in Hamburg. In der Kombination ist es Ihnen vielfach gelungen, gute Qualitäten von Unternehmen den Zielgruppen medial zu vermitteln. Aktuell sind Sie besonders stark ausgelastet. Bei der Corona-Krise wollen zahlreiche Unternehmen vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch bewahrt werden. Dazu gehören viele Reisebüros. Sie haben bereits festgestellt, dass die Reisebranche der größte Verlierer ist. Wie haben Sie die aktuelle Lage analysiert? Gab es einen Auslöser, wodurch Sie ausgerechnet auf die Reisebüros aufmerksam wurden?
D. Rölleke: Bekanntermaßen reisen die Deutschen besonders gerne. Sie reisen nicht nur gerne, sie reisen auch sehr viel. Die letzte

Krisenmanager David Rölleke

vorliegende Statistik aus 2018 spricht von 55 Millionen Reisenden, die eine Reise von mindestens 5 Tagen unternommen haben. Für rund 70 Millionen Reisen wurden etwa 71 Millionen € ausgegeben, somit über 1.000 € pro Person. Dahinter steckt fast immer der Wunsch, abzuschalten und Ruhe zu finden. Auch Sehenswürdigkeiten anzusehen und Aktivitäten in der Natur sind sehr beliebt. Die Umsätze der Fahrradhersteller haben seit Jahren zugenommen. Der Mountainbiker sucht nach herausfordernden Routen, die er nicht unbedingt vor der eigenen Wohnung findet. Wer sein Rennrad liebt, aber in der Stadt wohnt, freut sich über schnelle Routen auf Mallorca. Aktuell denken die Reiselustigen beim Reisebüro jedoch an andere Dinge: Flugstreiks, gestrandete Urlauber im Ausland, Grenzsperren und vor allem Corona. Es ist nicht immer nur das nötige Geld, was fehlt. Der Kunde hat vor allem kein Vertrauen mehr in die Branche. Die Reiselust ist zwar ungebrochen. Allerdings stehen viele Kunden der Reisebüros vor unbeantworteten Fragen. Sie bekommen kein Signal, dass sie sich auf die nächste Reise freuen können.

Dass die Reisebranche zu den größten Verlierern der Krise gehört, liegt auf der Hand. Tatsächlich gab es gleich zwei private Erlebnisse, die mich aufhorchen ließen.

Ich plane seit Längerem für Oktober eine Reise nach Mexiko. Wir freuen uns schon sehr darauf, Land und Leute dort kennenzulernen. Ich rief mein vertrautes Reisebüro an. Was ich dort hörte, sollte meiner Vorfreude einen starken Dämpfer verpassen. Die freundliche Mitarbeiterin sprach von Verantwortung, die sie für unsere minderjährigen Kinder nicht übernehmen möchte. Schließlich macht es keinen Spaß, elf Stunden im Flugzeug mit Schutzmaske zu sitzen. Ob die Hotels im Oktober geöffnet haben, kann ohnehin heute keiner versprechen.

Das zweite Erlebnis liegt einige Wochen zurück und betrifft den Inhalt einer E-Mail von einem ebenfalls mir vertrauten Reisebüro. Die netten Damen teilten mir mit, dass sie nach 25 Jahren ihr Reisebüro zum Monatsende schließen werden. Wenig vertrauensbildend empfand ich dann die Begründung, warum sie sogar Angst haben, sich von den Kunden zu verabschieden. Es sind die stetigen schlechten Nachrichten, die sie in den letzten 2 Jahren übermitteln mussten.

Tourism-Insider: Das waren für Sie klare Steilvorlagen zu den Themen Public Relations, Kommunikation und vor allem Krisenmanagement. Wie sollen sich denn die Reiseberater Ihres Erachtens verhalten, wenn Ihre Kunden aktuell nicht buchen können oder wollen?

D. Rölleke: Zunächst sollten sie sich auf ihre besondere Funktion als Dienstleister besinnen. Viele Reisebüros haben über Jahre einen Kundenstamm aufgebaut. Das ist nahezu in jeder Branche Gold wert. In einer Branche, wo es immer noch auf die persönliche Beratung ankommt, ist dieser doppelt wertvoll. Für die eigene Motivation ist es vor allem wichtig, zu wissen, dass ihre bisherigen Leistungen nicht vergebens waren. In einer Geschäftswelt, wo sich Produkte immer ähnlicher werden, zählt umso mehr das Vertrauen. Aus dieser Sicht kann es von Vorteil sein, einem Kunden von einer zu frühen Buchung abzuraten. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Kunde wiederkommt, steigt mit Sicherheit.

Wird auch bald wieder öfnen und Internationale Gäste verwöhnen:ein Blick über den Pool des SIS Kata Resorts in Phuket, Thailand


Tourism-Insider: Viele Reisebüros scheuen sich vor der Konkurrenz im Internet

D. Rölleke: Kunden erleben aktuell ein massives Outsourcing von Serviceleistungen. Fragen werden von virtuellen Sprachcomputern beantwortet. Ein Call-Center ist da schon die gehobene Art der Kundenbetreuung. Hierin steckt eine enorme Chance für die regionalen Reisebüros, gerade jetzt deutlich zu machen: Wir sind für Sie da! Bekannte Ansprechpartner geben den Kunden jetzt die Gewissheit, die sie sich wünschen. So kann das Reisebüro sich klar von den Online-Reiseportalen absetzen.

Tourism-Insider: Jetzt geht es also darum, die Zeit für Kommunikation zu nutzen. Die Kundenbindung zu sichern oder sogar zu stärken ist also die Herausforderung. Wäre in dieser Zeit eine Kommunikation über die eigene Website ein Thema?

D. Rölleke: Die zur Verfügung stehenden Medien nutzen, ist eine gute Sache. Ein Blog auf der eigenen Website zu erstellen gehört dazu. Dabei ist es wichtig, sich in die Rolle des Kunden zu versetzen. Was würde mich heute zum Thema Reisen interessieren? Der beste Blog wird allerdings dann gelesen, wenn Werbung dafür gemacht wird. Wenn die E-Mail-Adresse der Kunden zur Verfügung stehen, lässt sich durch ein Mailing über aktuelle Einträge informieren. Die E-Mail-Adressen sind auch für interessante Werbung nach der Krise einsetzbar. Genial ist, auf sozialen Medien den Blog zu bewerben.

Tourism-Insider: Gibt es Möglichkeiten als regionales Reisebüro auch vor Ort kommunikativ Aufmerksamkeit zu erzeugen?

D. Rölleke: Regionale Medien wie Zeitung oder Radio benötigen Inhalte. Als kompetenter Ansprechpartner vor Ort kann das Reisebüro eine Kolumne zu den aktuellen Entwicklungen im Bereich Reise anbieten. Das Ziel ist auch hier: Aufmerksamkeit, Vertrauen, Kunden.

Tourism-Insider: Herr Rölleke, sie haben sehr eindringlich das Thema Kommunikation angesprochen und die Bedeutung für das regionale Reisebüro herausgestellt. Gerade haben wir das Thema Social Media bereits gestreift. Von Reisebüros wissen wir, dass sie dem Thema eher zurückhaltend gegenüberstehen. Die Werbung setzt sich zwar auf verschiedenen Kanälen immer mehr durch. Echte Aktivitäten sind bei regionalen Reisebüros weniger angesagt. Wie beurteilen Sie die Wirkung der Präsenz auf den sozialen Medien für die Reisebüros?

Bereit für internationale Gäste: das beliebte Sea Sand Sun Resort Jomtien Beach , bei Pattaya, Thailand


D. Rölleke: Was für alle Branchen gilt, auch für die Reisebranche, ist den Kunden dort abzuholen, wo er steht. Die Welt wird digitaler, das ist spätestens seit einiger Zeit jedem klar geworden. Viele Einkäufe für den täglichen Bedarf haben sich in der Zeit der Krise auf den Onlinehandel verlagert. Somit finden wir alle Kunden mehr denn je im Internet. Das bedeutet, die Kunden können bei Facebook, Twitter, Instagram & Co angesprochen werden. Der Schlüssel lautet dabei: Wer gefunden werden will, muss Aufmerksamkeit erzeugen. Der Kunde, dem ich demnächst eine Reise anbieten möchte, sitzt heute zuhause und denkt an seine Traumreise. Diese Vorfreude kann durch echte Unterhaltung gesteigert werden. Vorstellbar ist eine tägliche Präsentation verschiedener Reiseziele. Das Programm am besten per Mail bewerben. So findet jeder Reiselustige seine Programmzeit und darf sich auf sein Reisebüro freuen. Und Call to Action darf nicht fehlen: Kommen Sie in Ihr Reisebüro. Gemeinsam finden wir Ihr Ziel für eine faszinierende Reise – für Sie ganz persönlich.

David Rölleke ist bei Nachfragen über die Redaktion (redaktion@tourism-insider.com) zu erreichen. Das Gespräch mit ihm führte unser Redakteur Hagen Richter.

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