Es gibt Marken, die erkennt man allein mit den Ohren: Ein dumpfer Gongschlag läutet jeden Abend um 20 Uhr die Tagesschau ein, “Düdüdüdüdümm”, die Abfolge von fünf charakteristischen Piano-Tönen macht die Deutsche Telekom unverwechselbar und ein pochender Herzschlag verbindet Audi mit Technologie und Leidenschaft.
Töne wirken: Das menschliche Ohr ist in der Lage, etwa 50 verschiedene Reize pro Sekunde zu verarbeiten – und damit doppelt so viele wie unser Auge. Weil wir deutlich besser wegsehen als weghören können, nehmen wir akustische Reize – ob bewusst oder unbewusst – nachhaltiger auf. Klänge haben die Macht, sich im Kopf zu verankern und bei jedem Hören eine damit verknüpfte Assoziation abzurufen.
Was im Marketingmix vieler Brands schon fester Bestandteil ist, erkämpft sich auch langsam seinen verdienten Platz im Tourismus: Sound Branding. Die akustische Identität einer Marke – der Corporate Sound – ist wie die visuelle Corporate Identity eine effektive Methode, um den Wiedererkennungseffekt einer Brand zu stärken und sie emotional aufzuladen.

Das akustische Ökosystem von TRO


Besonders im Tourismus, wo Differenzierung und Alleinstellung vor allem auf der emotionalen Ebene stattfinden, bietet Sound Branding innovative Möglichkeiten sich im Konkurrenzkampf um Tourist*innen nachhaltig zu positionieren. Um mit der neuen Generation von Reisenden mithalten zu können, müssen Länder, Regionen und andere Tourismusmarken immer mehr die digitale Welt erobern – ein Ort, an dem Sound entscheidend für die User Experience ist. Denn: Der (gefühlte) Urlaub beginnt nicht erst im Flugzeug oder bei Ankunft, sondern schon bei der Auswahl der Destination.

Städte wie Toronto, Bayreuth und Gent oder Urlaubsregionen wie das Allgäu machen bereits erste Schritte in Richtung ihrer akustischen Markenidentität. Und auch viele andere Tourismusmarken – sowohl Dienstleister als auch Destinationen – nutzen bereits Klang, also Musik, Sound und Stimme, um mit (potentiellen) Kund*innen zu kommunizieren. Dennoch fehlt häufig noch ein roter Faden, der durch den Sound führt. Was muss der Tourismusmarkt also beachten, wenn er mit strategischem Sound punkten will?

1. Den wahren Klang der Marke herausfiltern
Wie hört sich eine Tourismusmarke eigentlich an? Um die individuelle Brand Identity einer Stadt oder Region in eine akustische Strategie umzusetzen, braucht es Expertise. Denn passt das Sound Branding inhaltlich oder qualitativ nicht zum Markenkern, wird es von den Kund*innen nicht als authentisch wahrgenommen und kann das Markenimage sogar negativ beeinflussen. Im besten Fall macht der charakteristische Klang allerdings Lust, mehr über die Marke zu erfahren und die Destination zu entdecken.

Gerade touristische Destinationen und Dienstleister bieten eine Menge konzeptioneller Anknüpfungspunkte, um eine individuelle akustische Identität zu entwickeln. Wichtig ist die differenzierte und tiefgehende Auseinandersetzung mit den sogenannten kulturellen Cues – identitätsstiftenden Elementen, die eine Brand einzigartig machen. Das Naheliegende sollte dabei häufig nicht die erste Wahl sein: Einer Alpenregion eine Kuhglocke als Signature Sound zu verpassen, mag inhaltlich richtig sein, passt aber genauso gut auf angrenzende Gegenden und verschenkt damit Potenzial bei Alleinstellung und Differenzierbarkeit.

Tourismusmarken sollten dazu versuchen, ihren Klang auch im Sinne der Aftersales-Phase mit all den positiven Erinnerungen einer Reise zu verbinden. Das gelingt, wenn sich die wahre Identität der Marke in ihrem Corporate Sound wiederfindet und individuell abgestimmte, emotionale Verknüpfungen durch Klang entstehen.

2. Holistische Umsetzung durch ein akustisches Ökosystem
Generell gilt: Tourismusmarken sollten ihren akustischen Auftritt nicht groß anders denken als den visuellen. Um maximal zu wirken, muss Sound Branding holistisch umgesetzt werden. Das bedeutet, dass verschiedene charakteristische Klänge – im Fachjargon Assets genannt – über alle Kontaktpunkte und Kanäle hinweg gespielt werden. Doch genau hier liegt bisher der häufigste Fehler, den touristische Destinationen und Dienstleister begehen: Sound ohne Strategie. Eine „Hymne”, die nur nur in einem Imagefilm auf Youtube zu finden, oder ausschließlich in der Telefonwarteschleife der Tourismusinfo zu entdecken ist, ist in den meisten Fällen eine verloren gegangene Einzelinvestition, die durch den Mangel an charakteristischem Sound an anderen Kontaktpunkten wie ein Tropfen auf den heißen Stein wirkt.

Neben einem aussagekräftigen Soundlogo profitieren Tourismusmarken deshalb

Der Soundspezialist Mike Arnus sieht auch im internationalen Tourismus das Sounds Brands unterstützen können.

von weiteren Assets wie z. B. einem Brand Song, einer klaren Brand Voice und einem Music-Pool für Online- oder Social-Media-Kommunikation. Rund um den Markenkern gliedern sich so alle Sounds an verschiedenen Kontaktpunkten in die auditive Markenstrategie ein – es entsteht das akustische Ökosystem einer Brand.

Auch aus finanzieller Sicht ist ein holistisches Sound Branding sinnvoll: Sobald die akustische Strategie einmal steht und Guidelines das Design und den Einsatz von Audio lenken, ist der Aufwand gering, weitere Sounds zu integrieren. Feedbackschleifen zwischen Entscheider*innen und der Produktion entfallen, die Lizenzkosten können durch die Möglichkeit, vorlizenzierte Musik zu nutzen, im Rahmen gehalten werden und Content-Verantwortliche sparen Zeit. Ein holistischer Ansatz bringt Marken so Effizienz und einen schnelleren ROI.

Seit 20 Jahren klangvoll individuell
Einer der frühen akustischen Pioniere im touristischen Bereich – und nach wie vor ein Beispiel für gelungenes Sound Branding – ist der Airport Köln/Bonn. Er setzt seinen unverkennbaren, jazzigen Synthesizer-Riff bereits seit fast 20 Jahren ein. Der Jingle aus sechs Tönen geht den Flughafendurchsagen voraus – und ist so erfolgreich bei Millionen von Fluggästen abgespeichert. Er dient als akustischer Anker und überträgt unzählige positive Urlaubsassoziationen der Reisenden auf den Flughafen Köln/Bonn. Das Feedback der Besucher*innen zeigt: Die Tourismusbranche kann von qualitativ hochwertigem Sound Branding stark profitieren. Sie muss nur den ersten Ton anschlagen.

Über den Autor
Mike Arnus ist Senior Account Manager bei der Sound-Branding-Agentur TRO. Nach Stationen als Brand Strategy Consultant bei DriveNow und Zum goldenen Hirschen hilft er nun Marken dabei, in einer lauten Welt gehört zu werden. Um individuelle Klangerlebnisse für Unternehmen wie about you, adidas, FAZ, Mercedes, Netflix, Nike und o2 zu entwickeln, setzt er mit seiner Agentur auf einen deutschlandweit einmaligen Mix aus Service, Kreativität und Technologie.

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