Konsolidierung in europäischer Luftfahrtindustrie längst nicht abgeschlossen / Lufthansa investiert in weitere Digitalisierung / Ryanair will „kleiner Amazon“ werden / 2. Aviation Symposium des Travel Industry Club in Frankfurt.„Wachstum ist nicht mehr alles“, so Harry Hohmeister. Damit machte der Lufthansa-Vorstand gleich zu Beginn des 2. Aviation Symposiums des Travel Industry Club (TIC) in seiner Keynote klar, dass sich für Europas führende Airline (nach Passagieraufkommen 2015) die Prioritäten verschoben haben. In Zeiten des extrem dynamischen Wandels seien für eine erfolgreiche Zukunft kluges Changemanagement, eine Kultur der schnellen Reaktionszeiten und Investitionen in die Digitalisierung viel entscheidender, so Hohmeister.
Bis zu 400 Millionen Euro will Lufthansa deshalb in den nächsten drei Jahren in neue digitale Services investieren; etwa in Apps, die den Kunden das Buchen und Fliegen mit Lufthansa noch einfacher und komfortabler machen sollen. „Brötchen, Uniformen und Sitzabstände sind heute keine Differenzierungsmerkmale mehr“, sagt Hohmeister. In diesen Punkten glichen sich die Leistungen aller Airlines immer stärker an – auch zwischen klassischen Airlines und Low Cost Carriern.
Letztere allerdings wollen sehr wohl weiter wachsen. Matthias Wenk, Marketing Operations Director der irischen Low Cost Airline Ryanair (gemessen an den Passagierzahlen 2015 Nummer zwei in Europa), ließ daran keinen Zweifel. Er betonte auf dem TIC Aviation Symposium: „Wir wollen natürlich weiter wachsen.“ 305 neue Flugzeuge seien bestellt, das Netzwerk werde weiter ausgebaut. Allein in Deutschland soll der Marktanteil in den nächsten drei bis vier Jahren von derzeit 7 Prozent auf mindestens 15 Prozent steigen. Erst vor wenigen Wochen konnte Ryanair verkünden, ab 2017 auch den Flughafen Frankfurt/Main mit zwei Maschinen zu bedienen.
Zugleich warnt Wenk vor einem weiteren Preisverfall im europäischen Flugverkehr: „Die Durchschnittspreise werden auf jeden Fall weiter sinken“. Auch die von Ryanair-Chef Michael O’Leary schon einmal angedeuteten Null-Euro-Preise sieht Wenk „nicht nur als billige PR-Arbeit“. Vielmehr betont er, wie wichtig neben Effizienz und Agilität auch neue Erlösquellen und neue Geschäftsmodelle für den weiteren Erfolg von Ryanair seien. „Vielleicht sinken die Flugpreise tatsächlich irgendwann auf null Euro“, so Wenk. Doch auf dieses Thema wollen sich die Iren ohnehin „nicht so sehr versteifen“. Vielmehr wollen sie sich bewusst noch breiter aufstellen. Neben dem Hotelvermittler Ryanair Rooms etwa soll bald auch der Reisevermittler Ryanair Holidays starten. „Wir wollen das Kauferlebnis für unsere Kunden ausweiten und ein kleiner Amazon werden“, sagt Wenk. Weitere Erlösbringer könnten Kooperationen mit Flughäfen etwa bei der gemeinsamen Nutzung von Passagierdaten sein sowie der gesamte Bereich des Inflight Retail. „Diese Themen werden sich künftig noch gewaltig verändern“, so Wenk.

Doch nicht nur bei neuen Erlösquellen wird es Partnerschaften geben. Deutlich wurde auf dem Aviation Symposium auch, dass der Branche weitere Konsolidierungen bevorstehen. Luftfahrtexperte Stephan Nagel, Executive Director bei Prologis, sagt: „Die Konsolidierungswelle in Europa ist noch längst nicht abgeschlossen. Es ist noch sehr viel Geschäft im Markt, das konsolidiert werden kann.“ Insbesondere Low Cost Carrier, so Nagel, würden sich zunehmend für Partnerschaften öffnen und könnten beispielsweise gemeinsam mit Langestrecken-Anbietern Codesharing Flüge durchführen. „Bis sich der Markt wieder beruhigt und sich die Preise stabilisieren, wird die Konsolidierung in Europa noch deutlich zunehmen“, betont Nagel. „Dabei werden wir künftig auch einige überraschende Partnerkonstellationen am Markt sehen“, so der Experte. Welche Airlines jedoch zu den Gewinnern und welche zu den Verlieren zählen werden, ließ der Berater offen.
Für mehr Fairness im globalen Wettbewerb plädierte indes Condor-Chef Ralf Teckentrup. Er sprach von einem „dramatischen Wettbewerb“ in der europäischen Airlineindustrie und forderte erneut die Politik auf, angesichts des starken Wachstums der Golf-Carrier für bessere Rahmenbedingungen, etwa durch Abschaffung der Luftverkehrssteuer, zu sorgen.

Dirk Bremer, President des Travel Industry Club, unterstrich dies auch in seiner Begrüßungsrede zum 2. Aviation Symposium: „Als starke Wirtschafts- und Exportnation braucht Deutschland auch starke Airlines und Flughäfen. Die Politik unterstützt dies allerdings nur bedingt.“
Rund 150 Teilnehmer nahmen in diesem Jahr am Aviation Symposium des Travel Industry Club in Frankfurt teil. Das Symposium ist damit in der Luftfahrtbranche eines der relevantesten Events für Wissens- und Erfahrungsaustausch sowie für Networking und zählt zu den wichtigsten Veranstaltungen des Travel Industry Club. Insgesamt veranstaltet der TIC jährlich über 50 hochkarätig besetzte Symposien, Workshops und andere Events. Weitere Informationen unter www.travelindustryclub.de

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